BGH stärkt Mieterschutz: Neues zur Eigenbedarfskündigung einer GbR
In einer aufsehenerregenden und für Examen wie Praxis gleichermaßen relevanten Entscheidung hat der BGH eine analoge Anwendung des § 573 II Nr. 2 BGB auf die Kündigung einer teilrechtsfähigen Außen-GbR wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters bejaht (Urt. v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, NZG 2017, 215).
Diese Rechtsprechung hat der Mietrechtssenat des BGH vergangene Woche bestätigt und konkretisiert, in dem die mit § 573 II Nr. 2 BGB in Zusammenhang stehende Kündigungsbeschränkung des § 577a BGB unabhängig davon gelten soll, ob beim Erwerb vermieteten Wohnraums durch eine Personengesellschaft tatsächlich Wohnungseigentum begründet werden soll oder nicht (Urt. v. 21.03.2018 – VIII ZR 104/17, juris). Da es sich um eine „Hot Topic“ handelt, soll der Beitrag einen Kurzüberblick über die relevanten Senatserwägungen geben.
I. Zur analogen Anwendung des § 573 II Nr. 2 BGB
Dass der BGH § 573 II Nr. 2 BGB analog anwendet, verwundert auf den ersten Blick angesichts des Wortlauts der Norm, der auf natürliche Personen ausgerichtet ist:
§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters:
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn […]
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt […].
Gleichwohl geht der BGH in der Urteilsbegründung neben der gegebenen planwidrigen Regelungslücke von der notwendigen vergleichbaren Interessenlage aus und widerspricht insoweit weiten Teilen des Schrifttums. Die GbR sei nicht mit einer juristischen Person gleichzustellen, die sich nicht darauf berufen kann, die Wohnung für sich selbst oder Familien- bzw. Hausangehörige zu benötigen. Die Regelung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB solle zwar den Mieter vor einem Verdrängungsrisiko durch eine unüberschaubare Anzahl von Personen auf Vermieterseite schützen. Eine Außen-GbR sei aber wegen der anerkannten Teilrechtsfähigkeit zumindest im Kern vergleichbar mit einer Vermietermehrheit oder Erbengemeinschaft, der sich der Mieter ebenso ausgesetzt sehen kann. Deshalb überzeugen vorgetragene Schutzzwecküberlegungen wenig, denn auch in derartigen Fällen kann dem Mieter eine Vielzahl von Vermietern gegenüberstehen, die das potentielle Risiko einer Eigenbedarfskündigung maximieren (vgl. instruktiv zur Begründung der Analogie Häublein, Die Eigenbedarfskündigung einer vermietenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, NZG 2018, 41 ff.).
Überdies entsprach es – auch aus sozialstaatsrechtlichen Überlegungen heraus – lange Zeit höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass den wegen Eigenbedarfs kündigenden Vermieter respektive die Vermieter-GbR eine vertragliche Rücksichtnahmepflicht aus § 241 II BGB zur Bereitstellung einer – soweit in derselben Wohnanlage vorhandenen – vergleichbaren Mietwohnung traf (sog. Anbietpflicht), deren Verletzung als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB qualifiziert wurde und zur Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung führte. In Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung geht der Senat nunmehr davon aus, dass die Verletzung der Anbietpflicht nicht den Eigenbedarf entfallen, sondern vielmehr Schadenersatzansprüche entstehen lasse.
In Folge der Entscheidung wurde, auch wenn es sich letztlich allein um eine zu Ende gedachte Rechtsfähigkeit der GbR auch im Mietrecht handelt, u.a. von Mieterschutzbünden eine Absenkung des Mieterschutzes bemängelt. Vielleicht trägt der Mietrechtssenat des BGH in seiner aktuellen Entscheidung (BGH, Urt. v. 21.03.2018 – VIII ZR 104/17, juris) gerade auch dieser Kritik Rechnung, indem er den Mieterschutz stärkt.
II. Zur extensiven Auslegung des § 577a BGB
Nach neuester Rechtsprechung gilt die in § 577a BGB vorgesehene Kündigungsbeschränkung beim Erwerb vermieteten Wohnraums durch eine Personengesellschaft unabhängig davon, ob tatsächlich Wohnungseigentum begründet werden soll oder nicht (Wohnungsumwandlung). Erneut verwundert die Entscheidung mit Blick auf den eindeutig erscheinenden Wortlaut der Norm:
§ 577a Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung
(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.
(1a) Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter
1. an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder
2. zu Gunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird. […]
1. Sachverhalt (beruhend auf der Pressemitteilung Nr. 60/2018)
Vier Monate nachdem die GbR als Vermieterin in das Mietverhältnis eingetreten war, kündigte sie der in der vermieteten Wohnung lebenden Familie wegen Eigenbedarfs. Dabei fühlte sich die Vermieter-GbR nicht an die dreijährige Kündigungssperrfrist des § 577a BGB gebunden, letztlich da zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses nicht die Absicht bestanden hatte, den vermieteten Wohnraum in Wohnungseigentum umzuwandeln. Der BGH aber sah das anders.
2. Entscheidung des BGH
Zunächst bestätigt der Senat seine oben erläuterte Rechtsprechung, wonach sich eine GbR in analoger Anwendung des § 573 II Nr. 2 BGB auf Eigenbedarf eines Gesellschafters berufen kann. Eine abschließende Entscheidung hinsichtlich der Frage, ob Eigenbedarf tatsächlich vorlag, was im Prozess streitig war, musste der Senat allerdings nicht fällen, da die dreijährige Sperrfrist des § 577a I, Ia 1 Nr. 1 BGB nicht eingehalten worden war.
Angesichts der Überschrift „Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung“ verblüfft diese Sichtweise. Allerdings verweist der BGH darauf, dass der hinter der Vorschrift stehende Mieterschutz auch dann greifen müsse, wenn es tatsächlich nicht zur Begründung von Wohnungseigentum kommt. Genau für solche Fälle, in denen neue Wege zur Umgehung des Abs. 1 gesucht werden, sei zudem Abs. 1a nachträglich in die Norm eingefügt worden, u. a. wegen des praktizierten „Münchener Modells“ zur Umgehung des Abs. 1. Außerdem sei dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen, dass der Eigenbedarf bereits bei Kaufvertragsschluss vorliegen müsse. Zudem bestehe die typische Gefährdungslage des Mieters bereits ab dem Zeitpunkt der Erhöhung der Vermieteranzahl (vor allem bei Eintritt einer GbR in das Mietverhältnis).
„Mit der eingefügten Neuregelung des § 577a Abs. 1a BGB wollte der Gesetzgeber jedoch nicht allein Umgehungen der Sperrfrist nach dem „Münchener Modell“ entgegenwirken, sondern ausdrücklich auch etwaigen neuen Umgehungstatbeständen vorbeugen. Deshalb hat er für ein Eingreifen der Sperrfrist jede Veräußerung eines mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder an mehrere Erwerber ausreichen lassen, da sich nach seiner Einschätzung bereits hierdurch das Verdrängungsrisiko für den Mieter erhöht und dieser insoweit eines Schutzes bedarf.“
Zudem räumt der Mietrechtssenat des BGH noch verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 I GG aus:
„§ 577a Abs. 1a BGB verstößt auch nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht. […] Den insoweit zum Schutz des Mieters erforderlichen Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters hat der Gesetzgeber mit der Kündigungssperrfrist in § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB dabei auf das erforderliche Maß beschränkt und etwa davon abgesehen, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich zu verwehren, sich entsprechend § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines Gesellschafters zu berufen. Ebenso wenig verletzt es das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), dass nach § 577a Abs. 1a Satz 1 BGB nur der Erwerb durch eine Personengesellschaft oder -mehrheit, nicht aber durch eine Einzelperson die Sperrfrist auslöst. Denn es liegt auf der Hand, dass sich mit jeder weiteren Person, deren Eigenbedarf dem Mieter gegenüber geltend gemacht werden kann, die Wahrscheinlichkeit für den Mieter erhöht, auch tatsächlich wegen Eigenbedarfs in Anspruch genommen zu werden.“
III. Fazit
Zwei brandheiße Entscheidungen des BGH, die es sich nachzuarbeiten lohnt. Kurz zusammengefasst verlaufen die Linien der Rechtsprechung wie folgt:
- § 573 II Nr. 2 BGB ist auf die Kündigung einer GbR analog anwendbar. Insoweit genügt es, wenn nur ein GbR-Gesellschafter Eigenbedarf nachweisen kann.
- Die Verletzung der vermieterseitigen Anbietpflicht führt nicht dazu, dass die Eigenbedarfskündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist, sondern allein zu einem Schadensersatzanspruch in Geld.
- § 577a I, Ia BGB ist dergestalt auszulegen, dass die dreijährige Kündigungssperrfrist unabhängig von der Frage gilt, ob es später zu einer Wohnungsumwandlung kommen sollte oder nicht.
Das Interesse für einen Angehörigen eines Gesellschafters einer GbR muss keinem gewichtigen, engen persönlichen Interesse einer GbR insgesamt entsprechen.