BGH: Neues zum subjektiven Schadenseinschlag beim Betrug
Der Betrug gehört nicht zuletzt auf Grund der massenhaften Problemstellungen, die sich um die Auslegung der Norm ranken, zu den meistgeprüften Delikten des StGB. Erst vor kurzem hat sich der III. Strafsenat des BGH (Beschl. v. 12.06.2018 – 3 StR 171/17, NStZ-RR 2018, 283) mit der Problematik des subjektiven Schadenseinschlags befasst und dem Problemfeld eine weitere Feinheit hinzugefügt, die wegen ihrer erwartbaren Examensrevanz im Folgenden kurz dargestellt werden soll. Doch der Reihe nach:
I. Sachverhalt (dem Beschluss des BGH entnommen und vereinfacht)
Die Angeklagten hatten über verschiedene Firmen insgesamt 272 private Anleger mit einem Gesamtschaden von 10,5 Mio. € betrogen, indem sie Module von Solarparks sowie Zubehörteile an private Anleger veräußerten und eben diese Solarmodule anschließend von den privaten Anlegern gegen einen garantierten Pachtzins zurückpachteten. Dabei täuschten sie die Privatanleger in zweifacher Hinsicht:
- Zum einen hinsichtlich des garantierten Pachtzinses, der über die zu erzielende Einspeisevergütung von vornherein nicht zu erwirtschaften war.
- Zum anderen darüber, dass Solaranlagenteile veräußert wurden, die in Wahrheit gar nicht existent waren.
Gleichzeitig wurde den privaten Anlegern suggeriert, es handele sich um eine sichere Investition („safe-invest“), da durch den Kauf der Module eine Miteigentümerstellung entstehe, die ein Insolvenzrisiko minimiere bzw. ausschließe.
II. Entscheidung des BGH
In Rede stand hier eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB, indem diese die privaten Anleger in der oben beschriebenen Art und Weise in zweifacher Hinsicht getäuscht haben könnten.
Tatbestandlich lagen in objektiver Hinsicht eine (oben näher beschriebene) zweifache Täuschung durch die Angeklagten sowie ein kausal darauf beruhender Irrtum der privaten Anleger vor. Die zur Abgrenzung von Fremd- und Selbstschädigungsdelikten jedenfalls in den Betrugstatbestand unstreitig hineinzulesende irrtumsbedingte Vermögensverfügung der privaten Anleger bestand in der (überhöhten) Kaufpreiszahlung für die existenten und nicht existenten Solarmodule sowie Zubehörteile. Im Mittelpunkt der Entscheidung stand indes die Frage, ob ein Vermögensschaden vorlag, der nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung zu ermitteln ist. Bei Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der wirtschaftlich betrachtet unmittelbar vermögensmindernde Verfügung muss sich ein negativer Saldo ergeben, der nicht nur ein gleichwertiges Äquivalent kompensiert wird.
Vorliegend kann an die Zahlung des Kaufpreises für die Solarmodule und Zubehörteile angeknüpft werden. Denn unabhängig von der Frage, ob die Privatanleger tatsächlich (Mit-)Eigentum an den Solarmodulen erlangt haben oder nicht, wäre der Wert dieser Solarmodule und Zubehörteile ohnehin nicht mit dem Kaufpreis zu saldieren gewesen. Denn auch wenn beim Kauf eines Gegenstandes grundsätzlich nach dem objektiven Wert desselben zu fragen ist, muss – so der BGH – auch der subjektive Wert des Erlangten für den Verletzten berücksichtigt werden: „Ist nach dem Urteil eines objektiven Dritten eine (möglicherweise objektiv werthaltige) Gegenleistung des Täuschenden bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse des Gesch. sowie der von ihm verfolgten Zwecke subjektiv wertlos, begründet dies einen Vermögensschaden in voller Höhe des zur Erlangung der Gegenleistung Aufgewandten […]“ – der berühmte subjektive Schadenseinschlag. Doch nun zur Feinheit des Falles: So kann „als Schaden die gesamte Leistung des Gesch. anzusehen sein, wenn die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck brauchbar ist und er sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden, namentlich ohne besondere Schwierigkeiten wieder veräußern kann […].“
Zur Vertiefung: Ein subjektiver Schadenseinschlag liegt nach der Rechtsprechung also mit anderen Worten dann vor, „wenn
- dem Opfer Mittel entzogen werden, die für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner sonstigen Verbindlichkeiten sowie für eine angemessene Wirtschafts- und Lebensführung unerlässlich sind,
- das Opfer zu weiteren vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird
- oder das Opfer die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck
- oder in anderer zumutbarer Weise
verwenden kann.“ (BGH, Beschl. v. 11.6.2015 − 2 StR 186/15, NStZ 2016, 149; s. zu der Problematik auch ausführlich Schmidt, NJW 2015, 284). Indiz hierfür kann die leichte Wiederveräußerbarkeit sein.
Genau diese Voraussetzungen sah der BGH im vorliegenden Fall als gegeben an. Die Parteien hatten hier ein „safe-invest“ vereinbart, in dessen Rahmen die Solarmodule samt Zubehör über einen längeren Zeitraum an die Angeklagten zurückgepachtet werden sollten und auf diese Weise über den Pachtzins ein Gewinn erwirtschaftet werden sollte. Dies trat indes nicht ein, da die Angeklagten die vertraglich vorausgesetzten Bedingungen nicht geschaffen hatten. Da den privaten Anlegern keine anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten für die Solarmodule und Zubehörteile offenstanden – die Privatanleger konnten die auf den Grundstücken installierten Solaranlagen nämlich wegen Insolvenz der von den Angeklagten betriebenen Gesellschaften und mangels vertraglicher Beziehung zu den Grundstückseigentümern nicht weiterverwenden und auch eine Veräußerung war nach Aufbau und Anschluss der Anlagen auf den besagten Grundstücken nur mit erheblichen Verlusten möglich – lag ein Vermögensschaden vor.
An diesem Ergebnis vermögen auch die Pachtzinsen als mögliche Kompensation des Schadens nichts mehr zu ändern. Dies deshalb, weil die Pachtzinsen – wie der III. Strafsenat zu Recht feststellt – wirtschaftlich wertlos waren, hingen die Pachtzinsen einschließlich der versprochenen Rendite doch allein von betrügerisch zu erlangenden, zukünftigen Einnahmen der Angeklagten ab. Insoweit hatte der BGH bereits in einer früheren Entscheidung klargestellt, dass die Gelder eines Täters, die aus dessen Anlagebetrug stammen und an das Tatopfer zurückfließen, allein Auswirkungen auf die Strafzumessung entfalten, nicht aber bei der Höhe des eingetretenen Vermögensschadens Berücksichtigung finden können: „In solchen Wiedergutmachungsfällen ist es bei mehreren Tatopfern mit Blick auf die Strafbemessung grundsätzlich geboten, die Geldrückflüsse den einzelnen Geschädigten individuell zuzuordnen. In Fällen, in denen die Rückzahlungen ausschließlich aus deliktisch erlangten Mitteln stammen und allein der Aufrechterhaltung des betrügerischen Anlagesystems dienten, bedarf es einer solchen indiviuell-konkreten Zuordnung jedoch nicht.“ (BGH, Beschl. v. 02.03.2016 – 1 StR 433/15, NStZ 2016, 409).
Demnach ist der Betrugstatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt. Am Vorliegen des subjektiven Tatbestands, der Rechtswidrigkeit sowie der Schuld bestehen keine Bedenken, sodass sich die Angeklagten im Ergebnis des Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. In einer Klausur wäre neben der mittäterschaftlichen Zurechnung der objektiven Tatbeiträge über § 25 Abs. 2 StGB zudem noch an die Annahme verschiedener besonders schwere Fälle des § 263 Abs. 3 StGB (Nr. 1: gewerbs- und bandenmäßig sowie Nr. 2: Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes) zu denken.
Veräußerte Module waren objektiv ihren Preis wert oder nicht, hier naheliegend eventuell eher schon.
Wenn ein Pachtzins aus den Modulen von vornherein nicht zu erwirtschaften war, kann in Frage stehen, inwieweit die Pacht den Pachtzins wert war.
Verpächter können somit sogar zunächst grundsätzlich wirtschaftlich bevorteilt sein. Pächter können zur Leistung zumindest eines geringeren objektiven Pachtwertes bereit gewesen sein. Dadurch kann weniger ein objektiver Schaden hinsichtlich der Pacht begründet sein. Eine vereinbarte Gewinnaussicht kann von vornherein objektiv so unsicher und daher nicht erheblich gewesen sein.
Ein subjektiver Schaden soll in Betarcht kommen könnn, wenn ein Erwerb vollkommen nutzlos ist o.ä. Soweit Bereitschaft der Leistung zumindest eines zu erwirtschaftenden objektiven Pachtwertes vorlag, kann ein Erwerb zwar nicht unbegeschränkt im vorgesehen Maße nutzbar sein. Der Erwerb kann nur nicht vollkommen nutzlos sein, sondern zumindest im Rahmen eines objektv erwirtschaftbaren Pachtwertes nutzbar sein. Damit kann ebenso ein subjektiver Schaden jedendaflls insoweit grunsätzlich ausscheiden.
Eine Betrugsstraftat kann damit soweit nur problematisch genügend sicher begründet sein.